Future Healthcare: KI in der Medizin und Medizintechnik
Künstliche Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren viele Bereiche unseres Lebens beeinflusst und verändert. Die Verfügbarkeit von leistungsfähigen Sprachmodellen mit einfach zu bedienenden Chat-Oberflächen – wie z. B. ChatGPT – oder von Bildgenerierungstools – wie z. B. Midjourney oder Stable Diffusion – hat das Thema künstliche Intelligenz in den letzten Monaten endgültig in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit gerückt und vielfältige Diskussionen über Möglichkeiten, Nutzen aber auch Risiken ausgelöst.
Dabei sind die Anwendungsfelder KI-basierter Software weitaus vielfältiger, als es die aktuelle öffentliche Diskussion, die sich hauptsächlich um generative KI-Tools dreht, vermuten lässt. Da wir uns bei sepp.med intensiv mit dem Themenkomplex „Future Healthcare“ auseinandersetzen, sind für uns die Einsatzmöglichkeiten von KI in der Medizin und in der Medizintechnik von besonderem Interesse.
Ob in der Forschung, in der Diagnostik oder in der praktischen Anwendung als Unterstützung für medizinisches Fachpersonal – die Möglichkeiten und Einsatzgebiete für künstliche Intelligenz im medizinischen Umfeld sind vielfältig. In dieser Artikelserie werden wir verschiedene spannende Aspekte des Einsatzes von künstlicher Intelligenz, insbesondere in Form von Machine Learning, als Teil medizinischer Systeme näher beleuchten.
In diesem ersten Teil der Artikelserie – und auch in dem in Kürze folgenden zweiten Teil – verschaffen wir uns zunächst einen Überblick über einige vielversprechende Anwendungsgebiete von KI in der Medizin:
Ab Teil 3 der Artikelserie werden wir dann wichtige technische, ethische und rechtliche Aspekte dieses spannenden Themenfeldes näher beleuchten. Abonnieren Sie am besten unseren Newsletter, um direkt über neue Artikel informiert zu werden.
Künstliche Intelligenz in der bildgebenden Diagnostik
Die bildgebende Diagnostik ist ein grundlegender Bestandteil der modernen Medizin und umfasst verschiedene Techniken wie Röntgen, Magnetresonanztomographie (MRT), Computertomographie (CT) und Ultraschall. Diese Verfahren liefern detaillierte Bilder der inneren Strukturen des Körpers, die für die Diagnose und Behandlung von Krankheiten unerlässlich sind. KI-basierte Software zur Auswertung der Daten hat das Potenzial, diese Techniken weiter zu verbessern und die Genauigkeit und Geschwindigkeit von Diagnosen deutlich zu erhöhen.
Ein konkretes Beispiel ist die Erkennung von Lungenkrebs in CT-Bildern. Lungenkrebs ist eine der häufigsten Krebsarten weltweit und führt häufig zu einer hohen Sterblichkeitsrate, insbesondere wenn er spät erkannt wird. KI-Systeme können bei der Früherkennung von Lungenkrebs helfen, indem sie Muster und Anomalien in CT-Bildern erkennen, die für das menschliche Auge schwer zu sehen sind. Durch eine frühzeitige Diagnose haben Patienten bessere Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung und Heilung.
Die automatische Erkennung von Schlaganfällen in MRT-Bildern ist ein weiteres Beispiel. Schlaganfälle sind weltweit eine der Hauptursachen für Behinderungen und Todesfälle. Eine schnelle Diagnose und Behandlung von Schlaganfällen ist entscheidend, um bleibende Schäden zu minimieren. KI-basierte Diagnosesoftware kann zu einer schnelleren und genaueren Erkennung von Schlaganfällen beitragen, indem sie Muster in MRT-Bildern erkennt, die auf einen Schlaganfall hindeuten. Dies hilft Ärztinnen und Ärzten, schnell die richtige Behandlung einzuleiten und die Prognose für die betroffenen Personen zu verbessern.
Personalisierte Medizin mit KI-Unterstützung
Bei der personalisierten Medizin, die auch als Präzisionsmedizin bezeichnet wird, handelt es sich um einen innovativen Ansatz in der Gesundheitsfürsorge, der darauf abzielt, für jeden Patienten eine maßgeschneiderte Therapie zu entwickeln. Künstliche Intelligenz kann bei der Personalisierung von Medikamenten und Therapieansätzen zum Einsatz kommen, um komplexe Muster in Genom- und Gesundheitsdaten zu erkennen und zu analysieren. Eine solche Analyse bildet die Basis der individuellen Anpassung an einzelne Patienten.
Bleiben wir für ein konkretes Beispiel bei den bereits erwähnten Krebserkrankungen. Alle Patienten haben einzigartige genetische Profile, die die Entstehung, den Verlauf und das Ansprechen auf Therapien beeinflussen. KI kann eingesetzt werden, um diese genetischen Informationen zu analysieren und maßgeschneiderte Therapiepläne zu erstellen. So gibt es beispielsweise bei Brustkrebs je nach Subtyp der Erkrankung unterschiedliche Behandlungsansätze. Durch Analyse von Tumorproben und den Daten von Patienten kann KI-basierte Software das medizinische Personal dabei unterstützen, den Brustkrebssubtyp und die spezifischen genetischen Veränderungen einer Patientin zu identifizieren. Auf dieser Grundlage können Ärztinnen und Ärzte dann zielgerichtete Therapien – wie z. B. bestimmte Medikamente oder Immuntherapien – auswählen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksam sind und weniger Nebenwirkungen mit sich bringen.
Ein weiterer Anwendungsfall ist die Identifizierung von Biomarkern. Auch hier können KI-Werkzeuge die Datenanalyse erleichtern. Biomarker sind messbare Indikatoren für biologische Prozesse im Zusammenhang mit Krankheiten. Sie können helfen, die Reaktion des Körpers auf eine Behandlung vorherzusagen und die Behandlung im Laufe der Zeit so anzupassen, dass bestmögliche Ergebnisse erzielt werden. Ein konkretes Beispiel ist der Tumornekrosefaktor alpha (TNF‑α), ein Biomarker, der bei entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen häufig erhöht ist. KI-Tools können helfen, einen solchen Biomarker schnell und präzise zu identifizieren, was für die Früherkennung und Überwachung dieser Krankheiten von entscheidender Bedeutung ist.
Künstliche Intelligenz in der Medikamentenentwicklung
Die Entwicklung neuer Medikamente ist ein langwieriger und kostenintensiver Prozess, der oft viele Jahre in Anspruch nimmt. Der Einsatz künstlicher Intelligenz kann die Forschung erheblich beschleunigen und gleichzeitig die Erfolgsquote bei der Identifizierung vielversprechender neuer Wirkstoffe erhöhen. Dazu analysieren KI-Werkzeuge große Mengen an Daten aus unterschiedlichen Quellen, um Muster und Zusammenhänge zu erkennen, die für die Identifizierung neuer Wirkstoffe und deren Entwicklung entscheidend sind.
Die Identifizierung des Wirkstoffs Halicin als potenzielles Breitbandantibiotikum ist ein anschauliches Beispiel für den Einsatz von KI in der Arzneimittelentwicklung. Halicin wurde eigentlich für die Behandlung von Diabetes entwickelt, kam aber in dieser Funktion nie auf den Markt. Forschende des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben Halicin im Jahr 2019 jedoch als vielversprechenden Kandidaten für die Behandlung von Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien identifiziert. Es gilt als das erste Antibiotikum, das durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz – Deep Learning, um genau zu sein – ohne Prämissen entdeckt wurde. Das KI-System durchsuchte Tausende von Verbindungen und identifizierte Halicin innerhalb weniger Tage, während herkömmliche Methoden der Forschung Monate oder Jahre gedauert hätten.
Die KI-gestützte Arzneimittelentwicklung kann auf verschiedene Weise erfolgen. Eine Methode ist die sogenannte „In-Silico Drug Discovery“, bei der Machine-Learning-Algorithmen virtuelle Bibliotheken chemischer Verbindungen durchsuchen, um vielversprechende Kandidaten für die Entwicklung neuer Medikamente zu identifizieren. Die KI-Software ist in der Lage, Muster und Zusammenhänge zu erkennen, die auf eine mögliche Wirksamkeit der Verbindungen bei bestimmten Krankheiten hindeuten. Dieses Verfahren kam auch im oben beschriebenen Halicin-Beispiel zum Einsatz.
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Forschung zur Optimierung von Wirkstoffen, um beispielsweise ihre Löslichkeit, Aufnahme oder Verstoffwechselung im Körper zu verbessern. Dies kann dazu beitragen, neue Medikamente schneller durch klinische Studien und schließlich zur Zulassung zu bringen.
KI-basierte virtuelle Gesundheitsassistenten
Auf künstlicher Intelligenz basierende virtuelle Gesundheitsassistenten sind digitale Plattformen, die Patienten und medizinisches Personal bei der Informationsbeschaffung, der Entscheidungsfindung und der Kommunikation im Rahmen der Gesundheitsversorgung unterstützen. Sie können eine Vielzahl von Aufgaben übernehmen, die traditionell von medizinischem Personal ausgeführt werden, und dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung effizienter und zugänglicher zu machen. Digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA) – sogenannte „Apps auf Rezept“ – können solche virtuellen Gesundheitsassistenten enthalten.
Virtuelle Gesundheitsassistenten können beispielsweise bei der Selbsteinschätzung von Symptomen unterstützen. Dazu stellt eine solche App einem Patienten zunächst eine Reihe von Fragen, die auf aktuellem medizinischem Wissen basieren. Anschließend werden mithilfe von KI-Algorithmen mögliche Ursachen für die Symptome ermittelt, die aus den Anwender-Antworten abgeleitet werden konnten. Die App gibt daraufhin eine Empfehlung ab, ob ärztlicher Rat eingeholt werden sollte oder ob Selbsthilfemaßnahmen ausreichen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass solche virtuellen Gesundheitsassistenten keine ärztliche Diagnose ersetzen, sondern lediglich als Informationsquelle und Entscheidungshilfe dienen.
Virtuelle Gesundheitsassistenten können zudem dazu beitragen, das Management chronischer Erkrankungen zu verbessern. Beispielsweise kann ein virtueller Gesundheitsassistent Diabetikern helfen, ihren Blutzuckerspiegel und ihre Insulindosis zu überwachen, an die Einnahme von Medikamenten zu erinnern und Tipps für eine gesunde Ernährung und körperliche Aktivität zu geben. Darüber hinaus können virtuelle Gesundheitsassistenten Daten über den Gesundheitszustand des Patienten sammeln und analysieren, um individuelle Empfehlungen zur Verbesserung der Lebensqualität und des Disease-Managements zu geben.
In Teil 2 unserer Artikelserie werden wir uns die Kombination aus KI und Robotik im medizinischen Einsatz genauer ansehen. Außerdem beleuchten wir die Möglichkeiten von KI-gestützten Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Anwendungen für die medizinische Forschung, Ausbildung und Therapie. Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unserem Newsletter.
Webinar: Die KI kommt! Der Mensch geht?
Die Aufzeichnung des Webinars „Die KI kommt! Der Mensch geht?“ mit unserem Experten Torsten Herbert bietet eine fundierte und ausgewogene Perspektive auf das Thema KI, ihre Chancen und Herausforderungen.