40 Jahre sepp.med – Ein Rückblick mit Dr. Armin Metzger
Dr. Armin Metzger hat die Geschichte von sepp.med als Mitarbeiter, Projekt- und Teamleiter und zum Schluss als Abteilungsleiter sehr aktiv mitgestaltet. Die sepp.med Akademie ist eine seiner vielen Errungenschaften bei und für sepp.med. Als Highlight möchten wir hier an den CTFL Model Based Tester erinnern, den er federführend für sepp.med mitprägte. Mittlerweile ist er beim German Testing Board angekommen, und wir arbeiten als Partner sehr erfolgreich an der Weiterentwicklung vieler Themen bzgl. Qualitätssicherung und Test.
Die Metropolregion Nürnberg-Fürth-Erlangen ist geprägt von großen Playern zum Beispiel in der Medizintechnik. Und das war Ende der 90er, als Du bei sepp.med angefangen hast, genauso. Was hat Dich bewogen, bei sepp.med anzufangen – und nicht bei einem dieser Großen?
Dr. Armin Metzger: Das ist eigentlich einfach zu beantworten. Als Physiker kam ich aus einem wissenschaftlichen Projekt mit viel Verantwortung, einem Piloten, der für die Weiterführung eines Experiments entscheidend war. Diese Aufgabe konnte ich sehr eigenständig wahrnehmen, und Kreativität war auch nicht verboten. Ein solches Aufgabenprofil habe ich dann in der Industrie gesucht.
Daher musste ich mich entscheiden: Entweder die großen Projekte mit den enormen Budgets bei den großen Playern, bei denen alles aufgrund der Größe und der komplexen Strukturen etwas zäher ist, oder die Möglichkeit gerade am Anfang schon in einer agilen und übersichtlichen Organisation Geschicke und Konzepte aktiv mitzuprägen. So wie es halt eher bei den KMUs möglich ist. Ich habe mich für letzteres entschieden und wurde auch nicht enttäuscht. Das war für mich ein sehr wichtiger Aspekt.
Nur als Beispiel, wenn auch nur als organisatorisches Beispiel für die Agilität: Von der Bewerbung bis zur Zusage bei sepp.med vergingen gerade einmal etwa drei Wochen. Und das, obwohl Weihnachten und Silvester dazwischen lagen. Von den „Großen“ habe ich in dieser Zeit nicht einmal den Eingang der Unterlagen bestätigt bekommen. Da musste ich dann auch nicht warten oder groß überlegen.
Das Beispiel hat jetzt viel mit der organisatorischen Agilität zu tun. Aber wie interessant war denn das technische Umfeld bei sepp.med als Mittelständler? Kommt man bei einem Mittelständler überhaupt mit innovativen technischen Themen in Berührung?
Dr. Armin Metzger: Auf jeden Fall, aber da musste ich als Quereinsteiger und Novize im neuen Umfeld natürlich erst mal reinkommen. Gerade am Anfang war das dann auch für mich der richtige Mix aus Konzeptarbeit auf der einen Seite und der hemdsärmeligen Mitarbeit in den Projekten auf der anderen. „Probieren geht über Studieren“.
Den Kontakt zu den Projektthemen konnte ich mir auch in den Leitungsaufgaben dann immer erhalten. Für mich ein sehr wichtiges Thema. Und dann wurden auch die technischen Themen sehr schnell innovativ und spannend. Nicht umsonst betrachtet man in Deutschland den Mittelstand als Innovationsgeber, auch für die Global Player. Das ist etwas, was die Global Player vom Mittelstand gerade auch erwarten.
Das sind dann nicht nur technologisch fortgeschrittene Themen, wie die damals noch recht neue Testprozessautomatisierung und später das Modellbasierte Testen, mit denen ich mich intensiv und auch produktiv für die Firma beschäftigen durfte. Auch die dazugehörige Ausbildung und der nachhaltige Aufbau von Expertisen für die Projekte auf dem jeweiligen Stand der Kunst war für sepp.med als Dienstleister entscheidend für die Fähigkeit, Projekte aufzubauen und auszubauen.
Und wie habt Ihr geschafft, diese Expertisen aufzubauen?
Dr. Armin Metzger: Danke für die Frage, das ist genau mein Thema. Testen war damals bei weitem noch nicht so etabliert wie heute, und die Expertisen haben gefehlt. In meinem ersten Projekt schrieb ich Testautomatisierung für Assembler Code(!). Auf Nachfrage nach den Konzepten konnte mir mein Informatiker Kollege im Projekt lediglich mit dem Tipp „Äquivalenzklassenanalyse“ weiterhelfen. Also habe ich „Äquivalenzklassen“ gegoogelt.
Generell war es schwierig, Personal mit Testexpertise für die Projekte zu finden. Das Thema Testen war damals auch einfach noch nicht so etabliert wie heute. Also haben wir uns zusammen mit drei anderen Mittelständlern engagiert, ein Testcurriculum zu definieren und dann auch in den Markt zu bringen. Da konnte ich mitwirken.
Das ist der deutsche Ansatz gewesen, der dann mit anderen internationalen Initiativen zum Certified Tester zusammengewachsen ist. Wer sich mit Software Testen beschäftigt, weiß, dass der Certified Tester heute in der Branche einen wichtigen Stellenwert für grundlegendes, aber auch weiterführendes Test Know-How und eine gemeinsame Wissensbasis im Team hat. Damals war das übrigens nicht der ISTQB® oder GTB Certified Tester, das lief zuerst unter dem ASQF, der sogar die ersten Trainings durchgeführt hatte. Die Ausgliederung des German Testing Boards und die Internationalisierung mit den anderen nationalen Boards zum ISTQB® kam dann erst später.
Und Ihr konntet dann mit diesem Know-How die Projekte erfolgreich bestreiten.
Dr. Armin Metzger: Ja, wir hatten damit sehr gute Möglichkeiten, gerade neues Personal und Berufsanfänger schnell für die Testprojekte zu professionalisieren. Erst sekundär war ich dann auch verantwortlich, eine Akademie für Kunden aufzubauen. Für einen Mittelständler ist ein solcher Ansatz wichtig. Er dient sowohl als Aushängeschild für die Testexpertise, gewährleistet aber auch die nachhaltige Sicherung der nötigen Kompetenz.
Die Schulungsthemen werden ja auch kontinuierlich weiterentwickelt und folgen den aktuellen Trends in Technologien und Prozessen. Hilfreich ist dabei natürlich auch, dass sepp.med sich immer wieder „die Zeit genommen hat“, an Förderprojekten mitzuwirken. Das ermöglicht dann auch, technologisch führend in den Projekten mitzuhalten. Diese Expertisen waren dann auch sicher ein wichtiger Faktor für einen deutlichen Wachstumsschub in der Firma gerade in den ersten Jahren der 2000er. Da ist man natürlich stolz. Zudem wurden dann auch technologische Nischen ausgebaut. Ich selbst konnte sehr intensiv an Konzepten für das Modellbasierte Testen mitwirken.
Dann kommen wir doch nun noch zum Modellbasierten Testen. Ein Thema, welches sich in den letzten 20 Jahren sehr dynamisch entwickelt hat. Und vielleicht noch nicht den Stellenwert erlangt hat, den es eigentlich sollte.
Dr. Armin Metzger: In der Tat. Das Thema MBT wurde Anfang der 2000er von den Konzeptionisten mit viel Enthusiasmus aufgenommen, ist aber ein ganzes Jahrzehnt lang nur sehr sporadisch in der produktiven Umsetzung in den Projekten angekommen. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Modelle, z. B. UML‑, BPMN- oder auch textuelle Modelle bringen den Testentwurf, welchen sich jeder im Kopf als Modell macht, ganz konkret als ein gemeinsames und effizient wartbares Dokument für alle Beteiligten auf den Tisch. Das bewirkt eine präzisere und effizientere Kommunikation und auch eine Prüfmöglichkeit des Testentwurfs.
Modelle abstrahieren die Realität und reduzieren die Komplexität der Aufgabe des Testentwurfs. Man entwirft genau den richtigen Test und weiß zumindest, wie der vollständige Test aussieht. Auch wenn man in der Regel nie alles testen wird, kennt man die Testabdeckung. Und dann sind Modelle natürlich ein formaler Entwurf, der eine Weiterverarbeitung durch Automatismen zulässt. An erster Stelle sei hier die automatisierte Generierung des Tests aus den Modellen genannt. Gerade für die immer weiter etablierten automatisierten Prozessketten in den agilen Projekten ist das ein hochinteressanter Ansatz zur Verbesserung von Qualität und Effizienz. Man kann hier viel Zeit und Geld sparen. Und diese Automatisierungsketten sind auch bestens geeignet, MBT zu integrieren.
In einigen Domänen, wie Automotive, beginnt sich MBT inzwischen zu einem wirklichen Standard zu entwickeln. Das erwarte ich mir eigentlich auch branchenübergreifend. Jedenfalls konnte ich mich über 15 Jahre mit diesem intellektuell und von den kreativen Möglichkeiten her spannenden Thema beschäftigen, von den Konzepten zur Umsetzung bis hin zur Erstellung des ISTQB® Curriculums, was mir sehr viel Spaß gemacht hat.
Das waren jetzt einige Themen. Hast Du noch ein Resumee für uns?
Dr. Armin Metzger: OK, dann „short and sweet“. Auf Kununu würde ich sagen: weiter so, gebt Euren Mitarbeitern weiterhin Raum für ihr Engagement und ihre Ideen. Das war eine sehr gute Erfahrung für mich und bringt für beide Seiten inhaltlich, aber auch menschlich das Beste.
Herzlichen Dank an Dr. Armin Metzger, dass er sich die Zeit genommen hat, unsere Fragen zu beantworten.
Über Dr. Armin Metzger
Seit 1992 ist der Schwerpunkt seiner Arbeiten die Softwareentwicklung und das Testen von Software, anfangs im physikalisch-wissenschaftlichen Anwendungsfeld und seit 1999 in industriellen Domänen wie Medizintechnik, Automotive, Embedded und Energietechnik. Er wirkt dabei maßgeblich mit, in Deutschland die Expertise der Software-Qualitätssicherung in Kundenumfeldern als auch in Industriegremien und Forschungsprojekten inhaltlich und als Geschäftsmodell aufzubauen. Dies beinhaltet Marketing und Vertrieb und Tätigkeit als Vortragender, Trainer und Dozent.
Als einer der Gründerväter der Certified Tester Zertifizierung in Deutschland hat Dr. Metzger insbesondere das Thema des Modellbasierten Testens maßgeblich angeregt und inhaltlich mit aufgebaut. Seit April 2018 steht er dem German Testing Board e.V. als Geschäftsführer zur Verfügung. Hier hat er sich zum Ziel gesetzt, die inhaltliche und organisatorische Entwicklung des Verbandes und eine weitergehende Öffnung in Richtung neuer und sich ändernder Zielgruppen voranzutreiben.